Apple ist das derzeit wertvollste Unternehmen der Welt. Ein Blick auf seine Firmengeschichte ist zugleich ein Lehrbeispiel für schlechte und gute Strategie. Und ein Exempel dafür, dass die CDU nicht dadurch Wahlen gewinnen wird, dass sie sich den Grünen anbiedert und die eigenen Anliegen bis zur Unkenntlichkeit verwässert.

Apple ist anders. Es gab immer den „Industriestandard“, das waren die Rechner, die MS-Dos und Windows als Betriebssystem nutzten und technisch zu IBM kompatibel waren. Apple verfocht hingegen eigene Ansätze. Es führte die graphische Benutzeroberfläche und die Maus ein, es revolutionierte die Textverarbeitung durch die nicht-proportionale Schrift, es wandte sich an Schüler, Privathaushalte und Kreative statt an Büronutzer. Apple war technisch einen Schritt voraus und der Kauf eines Rechners mit dem Apfel-Logo ein Statement. Steve Jobs, der geniale Gründer, hatte die Vision, Informationstechnik zu einem Alltagsgegenstand zu machen. Dafür heuerte er Anfang der 1980er Jahre John Scully an, einen Pepsi-Cola-Manager, mit den bemerkenswerten Worten: „Wollen Sie bis an Ihr Lebensende süße Brause verkaufen oder wollen Sie die Welt verändern?“

Scully wollte vielleicht die Welt verändern, aber er verstand nicht, wie das geht. Jobs´ Visionen erschienen plötzlich als zu kühn, und so wurde er, der legendäre Gründer, gefeuert und Scully der neue starke Mann. Er wollte den kostspieligen Gegensatz zur IBM-Welt überwinden. Die Apple-Produkte waren bei ihm nicht mehr ihrer Zeit voraus, sondern sie waren einfach zeitgemäß, etwas teurer vielleicht, auch etwas besser. Aber nicht mehr anders. Nach anfänglichen Erfolgen und tosendem Applaus von Presse und Konkurrenz führte das Apple fast in den Bankrott.

Bis man Steve Jobs zurückrief. Er stoppte nicht nur die Versuche mit IBM-kompatiblen Produkten, sondern investierte in völlig neue Geschäftsfelder. Das erste war der Musikdownload mittels des iPod, es folgten iPhone und iPad. Die Computer waren wieder unverwechselbar, ihr Design revolutionierte erneut die Branche, die Software machte einen Sprung, IBM stellte die PC-Produktion ein.

In einem einfachen Modell kann man Strategie mit dem Gegensatz von rotem zu blauem Ozean erklären. Der rote Ozean, das ist der Teil des Marktes, der hart umkämpft ist. Da wird gemetzelt, alle Teilnehmer konkurrieren, zumeist über den Preis. Auf dem blauen Ozean segelt man allein unter strahlender Sonne. Man ist der einzige Anbieter. Die Margen sind hoch, und diejenigen, die im roten Ozean noch streiten, müssen sich bald aufmachen, nachzukommen, wollen sie nicht verenden. Zudem hat der Platzhirsch immer einen Vorteil.

IBM-kompatible Rechner herzustellen ist ein roter Ozean. Etwas eigenes, anderes herzustellen ein blauer. Anstatt einen Preiskrieg mit Firmen wie Dell oder Compaq zu führen, hat Apple das iPad entwickelt und damit einen völlig neuen Markt geschaffen, den der Tabloids. Nun muss die Konkurrenz nachziehen. Bis Sony, Samsung, Google und wie sie alle heißen auf dem Stand ist, dem iPad ernsthaft Konkurrenz machen zu können, wird es so lange dauern, bis Apple, sofern die Kreativität nicht nachlässt, längst einen neuen Teil des Ozeans gefunden hat, der strahlend blau ist.

Was in der Wirtschaft Märkte, sind in der Politik Themen. Atomausstieg und Klimawandel sind Themen, die in den frühen 1980er Jahren aufkamen. Damals waren es die Grünen, die sie eröffneten. Es war ein blauer Ozean für die Grünen, und sie waren erfolgreich und kamen ins Parlament. Was wir zurzeit erleben ist der Versuch der CDU, in den Markt der Grünen einzubrechen. Das wird misslingen. In einem roten Ozean kann man nie gewinnen, zumal gegen den Marktführer. Niemand, für den Atomausstieg eine wahlentscheidende Frage war, wird nun CDU wählen. Aber viele, die bislang für die friedliche Nutzung der Atomenergie gestanden haben, werden anfangen zu zweifeln, ob die CDU eine verlässliche Partei ist.

Der Versuch der CDU, im roten Ozean zu punkten ist aber vor allem ein Ergebnis der eigenen Orientierungslosigkeit. Denn offenbar sieht niemand die riesigen blauen Ozeane, die vor uns liegen. Wie wäre es mit Leitkultur? Zeigt nicht der überwältigende Erfolg von „Deutschland schafft sich ab“, dass hier ein gigantischer Bedarf besteht? Keine Partei ist derzeit bereit, dieses Thema glaubwürdig aufzugreifen. Nur die CDU könnte es. Dass die Grünen und die Linken toben würden, wenn wir es täten, ist klar. Denn dann findet der politische Streit nicht mehr im roten, sondern im blauen Ozean statt – auf dem nur die CDU segelt. Wer sich von seinen Konkurrenten vorschreiben lässt, welche Produkte – Themen – er vertreibt, der kann aufhören. Demographie ist das nächste Thema. Daran hängt viel, nicht nur die Sicherheit der Renten, sondern auch die Familienpolitik, die steuerliche Behandlung von Kinderreichen gegenüber kinderlosen Doppelverdienern und schließlich die grundlegende kulturelle Frage nach den Werten, an denen wir unsere Gesellschaft ausrichten wollen: Konsum oder Kinder, Hedonismus oder Nachhaltigkeit? Würde die CDU eine solche Debatte führen, wie alt sähen da die Grünen mit ihrer 80er-Jahre-Rhetorik von „Antidiskriminierungsdiskurs“ aus. Finanzpolitische Stabilität und eine langfristige Idee von Europa – auch das ist dringend notwendig und ein klassische CDU-Domäne. Was bekommen wir stattdessen geboten? Konzept- und strategieloses Durchgewurstl.

Die Grünen bieten nichts außer schalen Modethemen der 1980er Jahre, ihrer Gründungszeit. Dass sie derzeit dennoch so modern wirken liegt daran, dass die Union nicht in der Lage ist, die Themen der Gegenwart – Leitkultur, Demographie, Euro und Europäische Idee sind nur Beispiele – in den politischen Diskurs einzubringen. Man hat wohl Angst davor, beim nächsten gemeinsamen Spagetthi-Essen mit den grünen Kollegen beim Berliner Edel-Italiener nicht mehr gern gesehen zu sein. Man könnte ja in linksliberalen Kreisen als altmodisch oder gar – Gott behüte! – konservativ gelten. Das Ergebnis ist eine Partei, deren Mitglieder nicht mehr in wenigen Worten erklären können, wofür man eigentlich steht.

Der Weg zurück zum Erfolg besteht nicht darin, die besseren Grünen zu werden. Sondern, aus den Themen, in denen die Grünen dominieren, herauszugehen und dasjenige zu problematisieren, was die Grünen gern verschweigen, aber den Menschen unter den Nägeln brennt. Auf John Scully folgte nach einigen Interregna wieder Steve Jobs. Sonst wäre Apple heute eine Episode der frühen Computergeschichte statt das wertvollste Unternehmen der Welt und es gäbe keine Smartphones und Tabloids. Auf den inhaltlichen Niedergang unserer Partei mit den entsprechenden und hochverdienten Wahlergebnissen  wird, darauf setze ich, die Einsicht folgen, dass wir nicht durch grünliche, sondern nur durch klavierlackschwarze Politik überzeugen und gewinnen können. Und es sage niemand, dass klavierlackschwarz nicht sexy ist! Allemal besser als Claudia Roth. Und deshalb bleibe ich schwarz, auch wenn ich mich derzeit regelmäßig über die Politik meiner Partei schwarz ärgere.